Text von Heike Ander, in: Altarbild 2000, Doris M. Würgert |
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Heike Ander heuten Doris Maximiliane Würgerts photographische und zugleich malerische Arbeiten siedeln sowohl von ihrer technischen Entstehung als auch von ihrer inhaltlichen Disposition in einem Zwischenraum und bilden die Projektionsfläche für unser eigenes mentales Archiv. In ihrer Ausstellung "heuten" im Rahmen der Ausstellungsreihe "Altarbild 2000" der St. Lukas-Kirche steht eine eigens für diesen Kontext konzipierte Arbeit - ein Altarbild - im Zentrum, die unmittelbar auf dieses Archiv Bezug nimmt. Das Verhältnis der Einzelnen zur Kirche - im übrigen einem der ersten zentralen Auftraggeber der Kunst in der abendländischen Geschichte - ist vielfältig, oft auch zwiespältig. Die Verbindung von Kirchenraum und Ausstellungskontext bringt eben diese unterschiedlichen BetrachterInnen zusammen, den deren Motivation, sich vor dem Altarbild präsentierten Werk einzufinden, dürfte sehr unterschiedlichen Beweggründen entspringen. Das (Altar-)Bild zeigt überlebensgroß einen Mund, der im Sprechen begriffen ist. Das Bild spricht also nicht nur metaphorisch zu seinen BetrachterInnen, sondern der Akt des Sprechens selbst ist Bildgegenstand. Die im Prolog des Johannesevangeliums am Beginn stehenden Worte Im Anfang war das Wort, die jegliches Werden, jegliches Leben an das Wort Gottes knüpfen, mögen dabei in Erinnerung kommen. Gleichzeitig wird das Bild im Moment der Predigt verdoppelt, da nun die "Rede" durch den Sprechenden gespiegelt und verkörpert wird. Der Bildausschnitt zeigt nur den halbgeöffneten Mund und einen Teil der Nase und beschränkt daher unsere Feststellung darauf, keine Aussagen über den, der im Sprechen begriffen ist, machen zu können. Statt dessen tritt uns dieser Mund in gewaltiger Größe entgegen, bildet ein Zentrum, aber auch eine Öffnung und nicht nur die Frage nach demjenigen der spricht, sondern auch nach dem Inhalt der Rede bleibt unserer Projektion überlassen. Das Bild ist dabei kein photorealistisches Abbild, sondern im Gummidruck, einer Technik aus den Anfängen der Photographie, entstanden und durch Übermalungen weiterbearbeitet. Die ursprüngliche Vorlage nur mehr in schemenhafter Gestalt und verweist damit in einen Zwischenbereich, auf ein Davor und Danach. In der selben Technik sind die "Menschenbilder" entstanden, die in den Seitenschiffen zu sehen sind. Auch diese verändern ihre Erscheinung im Rahmen des kirchlichen Kontextes und in Reaktion auf die Projektionen der BetrachterInnen. Die uns frontal entgegen tretenden Gestalten sprechen uns trotz ihrer ephemeren Erscheinung unmittelbar an. Ihr Blick wendet sich an uns, kehrt unseren Blick sozusagen um, richtet diesen auf uns selbst zurück. Wir sind von ihnen erblickt. Und in dieser Umkehrung könnte auch eine unserer Perspektiven für die Betrachtung des Altarbildes liegen, denn könnte es nicht vielleicht auch unser Mund sein, der da im Sprechen begriffen ist?
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